Eines Tages, nachdem wir unser gerade fertig gestelltes Haus bezogen hatten, kam mir der Gedanke einem Zweithund ein neues Zuhause zu geben. Unsere Jagdterrier Hündin Foxi liebte das Spiel mit Artgenossen und Platz hatten wir auch. Tiere waren schon immer in unserer Familie und Hunde liebte ich schon als kleines Kind.
Es war Anfang Mai 2000 und ich beschloss im Tierheim Gießen nach einem geeigneten Kameraden für Foxi zu sehen. Ein kleiner, lustiger Jagdterrier hatte es mir angetan und ich fragte nach seiner Vorgeschichte. Die damalige Tierheimleitung erzählte mir, dass der kleine Kerl aus einer Tötung in Ungarn stammte und sie ab und an ungarische Hunde übernehmen würden. Ich wollte noch einmal eine Nacht darüber schlafen. Es beschäftigte mich sehr was mit die Tierheimleitung über Ungarn erzählt hatte, dass Hunde einfach getötet werden weil sie keiner will. Ich hatte schon in den Medien Berichte von Hunden im Ausland gesehen, wie man sie misshandelte aber man vergisst es auch schnell wieder oder will es vergessen. Es ist ja soweit weg und machen kann man ja sowieso nichts. Ich dachte halt wie so viele andere auch, weit weg und sehr schlimm und gut, dass es meinem Hund hier gut geht.

Der kleine Kerl beschäftigte mich aber schon sehr. Am nächsten Tag rief ich im Tierheim Gießen an, man sagte mit aber er wäre am gleichen Tag noch in gute Hände vermittelt worden.

Zur selben Zeit hatte mein Mann bei einem ungarischen Arbeitskollegen einen Schinken aus Ungarn bestellt, mein Mann liebt halt die deftige Hausmannskost. Der Kollege wurde krank und konnte den geliebten Schinken nicht mitbringen. Mein Mann und ich hatten zu dieser Zeit Urlaub und er machte den Vorschlag ein paar Tage nach Ungarn zu fahren und das Objekt der Begierde selbst zu holen.

Nun klingelten bei mir die Glocken und ziemlich blauäugig dachte ich, gehst in eine Tötung und holst dir dort einen Hund. Die sind bestimmt glücklich und dankbar. Sehr naiv, wie ich heute viele Jahre später sagen muss.

Nun gut, mit leeren Händen wollte ich nicht fahren und flugs sammelte ich Futterspenden.

Stolz wie Oskar kam ich an einem Tag auf 100kg. Alles gut im Auto verstaut unter den skeptischen Blicken meines Mannes führen wir am 12 Mai 2000 in Richtung Ungarn. Vorher hatte ich mich natürlich schlau gemacht, wo fahren wir hin und wo ist das nächste Tierheim.

Unser Ziel war in der Nähe von Pecs eine der größten Städte im Süden Ungarns.

Ein großes Tierheim in Pecs Somogy wollten wir dort besuchen. Ich war sehr aufgeregt und als wir am Tierheim ankamen, wurde mir sehr mulmig. Schon von außen war zu ahnen was uns drin erwartet. Wir wurden nett empfangen und man sprach etwas englisch.

Dann kam der Rundgang……. Ich hatte noch nie so viele dünne und abgemagerte Hunde gesehen, es war grauenhaft. 350 Hunde waren zu dem Zeitpunkt im Tierheim, welches eigentlich eine alte Schweinemast war. Es waren über 30 Grad, es stank bestialisch, das Gebell war ohrenbetäubend und ich dachte mir versagen die Beine. Nur noch durch einen Tränenschleier konnte ich die vielen flehenden Blicke sehen, selbst meinem Mann setzte es sehr zu.

Und ich sollte mich für einen Hund entscheiden….. nein es ging nicht es war nicht möglich. Ich habe nur geweint und an meine 100kg Futter gedacht, es hat noch nicht mal für einen Tag gereicht. Die Leute waren sehr nett und bemüht aber das Elend lies sich nicht in schöne Worte verpacken. Man erzählte uns, dass eine deutsche Organisation seit kurzen hilft mit Futter und Geldern für die tierärztliche Versorgung. In diesem Moment konnte auch das nicht trösten.

Wir gingen dann in einen etwas ruhigeren, neueren Teil. Es war die Station wo kranke Hunde untergebracht wurden.

Da sahen wir ihn, in die letzte Ecke gedrückt und immer wenn er nach vorne zu uns ans Gitter wollte,wurde er von den anderen Hunden weg gebissen. Er sah elend aus, hatte Demodex Milben und große unbehandelte Bisswunden. Das war Kodo, unser Hund. Wir nahmen ihn mit.

Wieder Zuhause mit unserem fürchterlich stinkenden Hund habe ich mich entschlossen etwas zu tun, zu helfen. Diese Bilder kann man nicht so einfach vergessen. Ich habe oft geweint und es hat ein gutes viertel Jahr gedauert bis ich es einigermaßen verdaut hatte.

Ich fing an Futter, Decken, Bettwäsche, Körbchen und sonstige Sachen zu sammeln.

Es gab eine Frau in der Nähe von Frankfurt die regelmäßig nach Pecs fuhr, ich lernte sie kennen. Vieles was ich heute weiß, habe ich von ihr gelernt und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Auf vielen gemeinsamen Fahrten hatten wir viele gute Gespräche. Dadurch hat sich meine Einstellung zu allen Tieren grundlegend geändert. Jedes Tier hat eine Lebensberechtigung, selbst die Fliege an der Wand. Wir haben nicht das Recht sie einfach platt zu hauen. Der Wurm auf der Erde lebt genau so gerne wie wir und jedes Tier hat einen Sinn eine Aufgabe und seinen Platz auf dieser Welt. Durch Tina und ihre Einstellung zu allen Lebewesen konnte ich sogar meine ganz schlimme Spinnenphobie überwinden.


Wir machten viele Spendentransporte zusammen und auf dem Rückweg brachten wir immer arme geschundene Seelen mit nach Deutschland. Irgendwann trennten sich unsere Wege und ich arbeitet alleine weiter. Zu diesem Zeitfunk entstand auch die „Hundehilfe Hinterland“.

Ich habe viel gesehen in diesem Land. Ich war in schlimmen Tötungen, habe Hunde bei Hundefängern vom Grundstück gestohlen und vor dem sicheren Tod bewahrt. Eine Ladung Schrot in den Hintern wäre mir sicher gewesen, hätte man mich erwischt.

Marita Müller

Ich war in schlimmen Tierheimen und jede Fahrt hat mich viel Kraft gekostet. Ich habe aber auch viele gute Menschen kennen gelernt, Menschen die selbst nicht viel besitzen aber eine gute und gesunde Einstellung zu Tieren haben. Junge Leute, die hoch motiviert sind, die viel von uns lernen wollten und heute noch lernen. Ich habe in all den Jahre Jahren eine Veränderung in diesem Land erlebt, Ungarn kam erst spät in den Schengenraum und es hat es schon weiter gebracht als alle südlichen Länder Europas. Ungarn ist ein armes und korruptes Land, aber die Menschen, die ich im Tierschutz kennen gelernt habe, sind auf einem guten Weg. Die Einstellung zu den Hunden, die keinen Stellenwert hatten, hat sich geändert. Ungarn hat eine Hundesteuer eingeführt, von der kastrierte Hunde befreit sind, die Tierheime kastrieren teilweise kostenlos. Jeder Hund der in Ungarn von einem „guten“Tierheim vermittelt wird, ist gechipt und registriert. Das ist der Weg der Vermehrung entgegen zu wirken. Es wird noch lange dauern bis sie annähernd auf unserem Stand sind aber sie bemühen sich und brauchen unsere Hilfe. Oft werde ich gefragt warum wir Hunde aus dem Ausland holen, warum denn nicht?

Wir sind ein soziales Land, zu uns kommen Menschen aus aller Herren Länder, Menschen die um ihr Leben fürchten müssen. Warum lassen wir nicht gleiches Recht für Tiere zu. Warum wird Panik gemacht vor irgendwelchen Seuchen und Krankheiten die angeblich solche Tiere einschleppen. Deutsche fahren mit ihren Hunden dort hin und machen Urlaub. Da ist die Angst wohl nicht so groß. Wenn im Süden und im Osten alles so verseucht wäre, gäbe es dort weder Mensch noch Tier. Lassen sie sich nicht verunsichern, es sind Menschen die etwas gegen Auslandstierschutz haben und irgendwoher zieht man auch die Argumente.

Trotz unseres Auslandstierschutzes lassen wir unser Land und unsere Hund nicht aus dem Blick. Wir werden oft gefragt ob wir Hunde aufnehmen können. Wir tun es wenn es möglich ist. Eine Pflegestelle ist doch besser als ein Tierheim. Ein deutscher Hund in Not hat Priorität.

Leider sind es aber auch oft alte oder kranke Hunde die wir bekommen und auch aufnehmen.

Bei Hunden die bissig oder unverträglich sind, müssen wir aber leider passen. Wir arbeiten nur mit Pflegestellen wo oft schon ein Artgenosse sitzt.

Die ungarischen Hunde finanzieren diese, unsere deutschen Hunde oder auch andere Tiere in Not mit. Wir sind nur ein kleiner Verein und tragen uns nur über die Schutzgebühr unserer Vermittlung. Spenden sind eher die Ausnahme. Ich hoffe ich habe mit dieser Geschichte einen kleinen Einblick über das, was uns motiviert und antreibt gegeben. Ein Hund in Not hat für uns keine Nationalität, er ist ein Hund in Not der Hilfe braucht.

Wenn ich einen Wunsch in meinem Leben frei hätte, würde ich gern nach meinem Ableben über die Regenbogenbrücke in den Hundehimmel gehen, da habe ich viele, wirkliche Freunde.

Marita Müller – Gründerin